Trauer. Die Antwort des Herzens.

In Trauer sein.

Der Verlust eines lieben Menschen durch Tod oder Trennung kann uns überwältigen und überfordern.
Er lässt unsere vertraute Welt sich verändern oder auch zerbrechen, in tausend Bruchstücke unseres Seins. Es schmerzt. Die Vergangenheit schmerzt, die Gegenwart schmerzt und noch mehr schmerzt die Zukunft. Das Fehlen des anderen, der anderen hinterlässt nicht nur in der äußeren Wirklichkeit eine Leerstelle, sondern auch in uns selbst.

Trauer ist eine ganz normale Reaktion von Körper, Geist und Seele auf Verlust, Trennung und Abschied. Sie antwortet mit dem Körper, mit dem Gefühl, mit Gedanken, mit Handlungen und zeigt sich bei jedem, bei jeder anders.
Die Trauer kommt und geht in Wellen und drückt sich auf vielfältige Weise aus. Sie erfasst uns Menschen in unserem ganzen Wesen und berührt viele unserer Lebensbereiche. Trauer ist eine lebenswichtige Reaktion. Sie gehört zum Leben und zum Prozess des Abschiednehmens. Wenn sie ausgedrückt und umgewandelt wird, ist sie lebensfördernd.

Manche spüren die Trauer nur für kurze Zeit. Bei anderen scheint sie kein Ende zu nehmen.
Die Trauer braucht Raum und Zeit. Sie braucht ihren eigenen Raum, an dem sie sich mit all ihren Reaktionen und Gefühlen zeigen darf, da sein darf und bewusst gelebt wird. Sie will wahrgenommen und gespürt werden, um dann gehen zu können.

Die Trauer braucht so lange Raum und Zeit, wie Leib und Seele sie benötigen.

Die Trauer ist wie das Meer. Sie verläuft bewegt. In Wellen.

Die Wellen der Trauer

Die Wellen der Trauer rollen heran, schwellen an und verebben. Sie sind wie das Meer - wild, schäumend und aufwühlend, um dann zu ruhen. Wie das Wasser fließen wir emotional hin und her. Nur deshalb ist die Trauer erträglich. Die Wellen im Trauerprozess bringen vielfältige Gefühle mit sich. Sie kommen und gehen.

Beim Verlust eines geliebten Menschen kann es ein Teil des Weges sein, Gefühle wie Ohnmacht, Leere, Wut, Verzweiflung, Sehnsucht, Freude, Protest, Fassungslosigkeit, Verlassensein, Alleinsein, Angst, Erleichterung oder auch Schuld zu durchleben. Nacheinander, durcheinander, miteinander. Diese Gefühle machen sich bemerkbar durch körperliche Reaktionen.
Die Trauer, die all diese Gefühle ist, zeigt sich oft auch körperlich, denn der seelische Schmerz drückt sich im Körper aus. Der körperliche Schmerz gibt uns Zeichen und drängt uns, mit der schwierigen Situation bewusst umzugehen und nach Wegen zu suchen, sie zu bewältigen.

Zwischen Weinen und Lachen schwingt die Schaukel des Lebens.

Christian Morgenstern

In der Trauer können wir den Schmerz zulassen und ihn ausdrücken. Wenn wir dem Schmerz Raum und eine Daseinsberechtigung geben, wenn wir verstehen, dass er Ausdruck unserer Trauer ist, ist es leichter, ihn auszuhalten. Durch das bewusste Wahrnehmen unseres Körpers und mit achtsamen Spüren können wir herannahende Gefühlswellen erkennen und zulassen.
Das Annehmen der Gefühle ermöglicht uns das Loslassen. So öffnet sich langsam der Weg, um das, was wir verloren haben, den verlorenen Menschen, das Leben so wie es war, freizugeben und um zu heilen.

Gefühle sind zum Fühlen da.
Trauer und Freude
schließen einander nicht aus.
Manchmal gehen sie Hand in Hand. Wenn das eine Gefühl freien Lauf hat, kann das andere auch fließen.

Tränen bringen die Trauer ins Fließen

Tränen bringen erstarrte Gefühle wieder in Fluss. Sie bringen in Bewegung, was ins Stocken geraten ist. Es wird so möglich, die Vielfalt unserer Gefühle zu erspüren, zuzulassen, auszuhalten und weiterziehen zu lassen. Tränen bringen Erleichterung und helfen dabei, den Schmerz zu verwandeln.

Tränen sind eine Antwort unserer Seele, unseres Körpers, unseres Geistes. Sie sind ein Zeichen von Stärke und Ausdruck von Lebendigkeit. Sie gehören nach außen und nicht ins Herz. Tränen der Trauer, Tränen der Wut, Tränen der Erleichterung, Tränen der Freude. Sie bringen uns in Kontakt mit uns selbst und wir nehmen uns selbst damit wichtig. Sie bringen Erleichterung, da wir losgelassen und ein wenig an Gewicht und Schwere verloren haben und wieder Leichtigkeit spüren können.

Wenn du deine Tränenquellen zuschüttest, werden deine Gefühle verdursten.

Jorgos Canacakis

Memento

Vor meinem eigenen Tod ist mir nicht bang,
Nur vor dem Tode derer, die mir nah sind.
Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?

Allein im Nebel tast ich todentlang
Und lass mich willig in das Dunkel treiben.
Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.

Der weiß es wohl, dem gleiches widerfuhr;
Und die es trugen, mögen mir vergeben.
Bedenkt: den eignen Tod, den stirbt man nur,
doch mit dem Tod der andern muß man leben.

Mascha Kaléko